Zeuge von über 500 Jahren Stadtgeschichte

Das stattliche Fachwerkhaus liegt im Zentrum der Münnerstädter Altstadt, südlich vor der Längsseite der Pfarrkirche Maria Magdalena. Es bildet die nördliche Abgrenzung des Angers. Durch die in mitteldeutschem Zierfachwerk erbaute Giebelfront erhält der Platz einen außergewöhnlichen Blickfang.

Mehrfach durchgeführte Untersuchungen haben ergeben, dass der Gebäudekomplex aus drei Baukörpern besteht, von denen noch Teile im Original vorhanden sind, die aus unterschiedlicher Zeit stammen:

Der riesige Gewölbekeller, der nach seiner Lage zum darüber stehenden Bauwerk vermutlich noch aus der Zeit vor dem 14. Jahrhundert stammt, ist durch eine schwer begehbare Treppe von der Straßenseite am Hafenmarkt / Anger zugänglich. Ursprünglich führte auch eine Treppe vom Stallbereich im Norden in den Keller. Sie wurde 2012 wiederhergestellt und bildet jetzt den Hauptzugang. Im Keller befinden sich die Überreste eines Brunnens, der die Wasserversorgung des Hauses gewährleistete. Nach der Abtragung der Ackerbodenrückstände stellte sich heraus, dass der ganze Keller gepflastert ist.

Der nördliche hintere Teil, der im Grundriss quasi quadratische Altbau, reicht mit vier noch erhaltenen, teilweise eingemauerten Stützen in das Jahr 1478 zurück. Diese Eichen-Stützen sind wie Säulen gestaltet. Ihr schön geformtes Kapitell belegt, dass sie alle als Eckpunkte einer Art Säulenhalle ursprünglich sichtbar waren. Von dieser Halle aus führten Rundbogentüren (heute z.T. zugemauert, aber gut erkennbar) in die angrenzenden Räume.

Der Vorbau mit der schönen Fachwerk-Giebelfront, ein unregelmäßiger Baukörper, der als Neubau bezeichnet werden kann, ist nach Ausweis dendrochronologischer Untersuchungen im Jahr 1573 errichtet worden. Im mächtigen zweistöckigen Dachraum ist der „Anbau“ deutlich erkennbar. Altbau und Neubau sind durch eine Fachwerkwand getrennt, ursprünglich die südliche Außenwand des Altbaus. Zu den sehr umfangreichen Umbaumaßnahmen gehörten z.B. ein neuer Treppenaufgang ins Obergeschoß, eine Veränderung des Fußbodenniveaus und des Raumkonzepts und zugemauerte Türdurchgänge.

Alle früheren und späteren Umbauten wurden sicherlich jeweils den verschiedenen Nutzungen angepasst (Bäckerei, Gerberei, Wohnungen).

Die letzte Generalsanierung des Anwesens in der Vergangenheit erfolgte unzweifelhaft 1801. Im Schlussstein über der Haustüre sind die Initialen „KG“ (= Kaspar Guck) und das Jahr 1801 eingemeißelt. Beweis für eine wertsteigernde Gebäudesanierung ist die Tatsache, dass der Wert des Hauses danach mit 1000 Gulden im Kataster der Feuerversicherung taxiert wurde. Vorher betrug er 300 Gulden. Das Fachwerk wurde damals verputzt, die Fenster bekamen neue Einfassungen mit Zierornamenten, im EG aus Sandstein, im OG aus Holz. Deren Farbton wurde an den Verputz angepasst, so dass das Haus nun einen vornehmen klassizistischen Eindruck ausstrahlte. Es existiert ein Foto, etwa um 1900, auf dem das Haus und auch das Nachbarhaus verputzt sind. Als das Haus 1927 als Kulisse für das Heimatspiel ausgewählt wurde, errichtete man über dem Torbogen 2 Türmchen als bildliche Darstellung des Stadtwappens mit der Muttergottes. An beiden Häusern wurde das eindrucksvolle Fachwerk wieder freigelegt. Seitdem wird das große Gebäude als Heimatspielhaus bezeichnet.

Nach 1801 ist nie mehr eine grundlegende Sanierung erfolgt. Es wurden nur Einzelreparaturen (Türen, Fenster, Böden u.a.) und kleinere Modernisierungen (neue Kamine, Wasserleitung, Elektroinstallation usw.) für die als Wohnungen vermieteten Räume durchgeführt.

» Die Sanierung

Quellen; Stadtarchiv Münnerstadt, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Architekturbüro Knoll & Konopatzki


Die Bewohner

Die älteste Nachricht, die sich zweifelsfrei unserem Haus zuordnen lässt, entstammt einer Besitzauflistung der Stadt zum Zwecke der Steuererhebung vom Jahre 1642. Unter dem Namen Stoffel (= Christoph) Sennefeldt ist gegen Ende dieser Hausbesitzerliste des ersten Stadtviertels ein „Haus die Sorg“ verzeichnet.

Dieser Hausname für unser Anwesen hat sich von da an bis weit ins 18. Jahrhundert hinein erhalten. Aus den Quellen lässt sich nicht erschließen, wie und warum es zu dieser Bezeichnung gekommen ist. Möglicherweise hat sie mit einer Familie „on Sorg“ mit der Bedeutung „Ohnsorg“ zu tun, die es im 16. Jahrhundert in Münnerstadt gegeben hat. Doch ist aus Eigentümer- und Bürgerlisten bis 1473 zurück kein sicherer Bezug zu unserem Anwesen erkennbar.

Auch im „Bede“-Buch von 1676 heißt es von dem Anwesen: „Ein Haus die Sorg genannt“. Mit dieser Hausbezeichnung stimmt ein Sterbeeintrag von 1725 überein. Dort wird die Beerdigung eines „honestus vir Sorg Baltheß vulgo dictus annorum 78“ anzeigt. Der ehrenwerte Mann von 78 Jahren wird nur der „Sorg Balthes“ geheißen – vermutlich weil er in der „Sorg“ wohnt.

1642: Das Haus, „die Sorg“ genannt, ist im Besitz des Bäckers Stoffel (= Christoph) Sennefeldt.

Sein ältester Sohn, Christoph (*1647) betreibt die Bäckerei auf dem väterlichen Anwesen weiter. Er stirbt 1706 als „Senator“ (= Stadtrat).

1708 – 1744: Der nächste Eigentümer Wolff Baltzer (= Wolfgang Balthasar) Wirth (*1670) heiratete 1692 die Tochter Apollonia (*1671) des Christoph Sennefeldt und führte die Bäckerei seiner Schwiegereltern weiter.

1744: Nach seinem Tod übernimmt im Jahr 1744 Caspar Krug – „civis et pistor“  Bürger und Bäcker – das Anwesen. Seine Witwe Ottilia erbt es nach seinem Tode 1778 und hinterlässt es 1788 ihrer ledigen Tochter Ottilia (*1745). Diese wird noch 1791 im ältesten Brandversicherungs-Kataster als Eigentümerin genannt.

1800 erscheint im Grundsteuerregister der Gerbermeister Kaspar Guck als Eigentümer. Er saniert 1801 das Anwesen von Grund auf und baut es im klassizistischen Stil um. Darauf weisen die Fensterverkleidungen mit den Ornamenten hin. Er dokumentiert den Umbau mit einer Bauinschrift auf einem quadratischen Stein über der Haustür mit seinen Namensinitialen und der Jahreszahl „KG 1801“. 1827 stirbt er mit 67 Jahren und hinterlässt den Besitz seiner Witwe Kunigunde (+ 1842).

1850 übernimmt der Gerbermeister Lorenz Henneberger II (*1818) das Anwesen. Nach seinem Tod 1895 verwalten die ledigen Töchter Margaretha und Barbara gemeinschaftlich den elterlichen Besitz. Nach deren Ableben gelangt das Anwesen im Jahr

1927 kurzzeitig in städtischen Besitz. In diesem Jahr wird das Heimatspiel das erste Mal vor dem Haus aufgeführt. Von da an bürgert sich der Name Heimatspielhaus ein.

1930 wird es Eigentum von Josef Seit, Besitzer des westlichen Nachbarhauses. Seine zweite Frau Barbara überlässt mit Urkunde vom 24.03.1988 das Haus ihrer Nichte Gertrud Reuscher, geb. Müller. Nach deren Tod geht es

1991 in Gütergemeinschaft zu gleichen Teilen an ihre drei Kinder Ewald, Reinhold und Marlene über.

2008 erwirbt der Verein „Zukunft für das Heimatspielhaus e.V.“ das Gebäude.

2010 – 2013: Das Heimatspielhaus wird grundlegend saniert und einer neuen Nutzung zugeführt.

18. Juli 2013: Das sanierte Heimatspielhaus wird feierlich eingeweiht.

Heute ist wieder Leben ins Heimatspielhaus eingezogen: Im Haus finden regelmäßig Veranstaltungen wie z.B. Konzerte, Lesungen oder Ausstellungen statt. Die beiden repräsentativen Räume im Obergeschoss können für Veranstaltungen wie Geburtstage, Hochzeiten oder Seminare gebucht werden. Im Erdgeschoss befindet sich eine Galerie für zeitgenössische Kunst, im Obergeschoss ist eine kleine Wohnung an Privatleute vermietet.

Quelle: Stadtarchiv Münnerstadt;
Fotos: Zukunft für das Heimatspielhaus e.V., Galerie Pfarr


Das Heimatspielhaus nach der Kompettsanierung

Das Heimatspielhaus mit verputzter Fassade, um 1900

Das mitteldeutsche
Zierfachwerk vor....

... und nach der Sanierung.

Stützen aus dem Jahr 1478
im ehemaligen Ziegenstall

Ehemaliger Ziegenstall nach der Sanierung

Dachraum

Schluss-Stein über der Haustüre von 1801 vor...

... und nach der Sanierung.

Das ehemalige „stille Örtchen“ im 1. OG

Wohnräume im 1. OG
vor ...

... und nach der Sanierung.